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Gewaltschutz im Blick behalten: Erste Positionierung des Bündnis Istanbul-Konvention zur Gewaltschutzstrategie nach der Istanbul-Konvention

Das Bündnis Istanbul-Konvention (BIK) begrüßt ausdrücklich, dass das BMFSFJ federführend eine Gewaltschutzstrategie der Bundesregierung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (IK) vorgelegt hat. Die Mitglieder des BIK unterstreichen die Wichtigkeit, die der Gesamtstrategie zugemessen wird. Als positiv ist auch die geplante Einrichtung einer Koordinierungsstelle zur Umsetzung der IK sowie die geplante Etablierung von Focalpoints in den einzelnen Ministerien hervorzustellen.

Wir bedauern jedoch, dass die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Erstellung der Strategie nur eingeschränkt möglich gewesen ist und eine ausführliche und tiefgreifendere Beschäftigung mit der Gewaltschutzstrategie und den darin enthaltenen Inhalten nicht vorgesehen war. Die von der IK verlangte Beteiligung der Zivilgesellschaft in Form eines partizipativen Prozesses hat bei der Erstellung des Maßnahmenkatalogs kaum stattgefunden.

Auch bemängeln wir, dass nur wenige Punkte von der bereits erarbeiteten Bestandsaufnahme und den daraus hergeleiteten Handlungsbedarfen im Alternativbericht sowie aus dem Bewertungsbericht der GREVIO-Kommission berücksichtigt wurden.

Hierbei konkret zu nennen sind:

  • Fehlende intersektionale Perspektive: Eine intersektionale Perspektive ist zwar zentral erwähnt, aber nicht grundlegend als Strategie angewendet und in Bezug auf die einzelnen Maßnahmen nicht stringent umgesetzt. Es lässt sich zum Beispiel kein Konzept in Bezug auf den Umgang mit Mehrfachdiskriminierung erkennen. Dabei wird deutlich, dass es einer Überarbeitung eines großen Teils der Maßnahmen bedürfen würde, um eine intersektionale Perspektive tatsächlich umzusetzen.

Ein zentraler Punkt in dieser Hinsicht ist auch, dass es keine Maßnahme dazu gibt, den faktischen rechtlichen Ausschluss von geflüchteten Frauen von Schutzmaßnahmen abzuschaffen. Das heißt, dass völkerrechtliche Vorgaben der Istanbul-Konvention nicht umgesetzt werden, beispielsweise Artikel 59 der IK (eigenständiges Aufenthaltsrecht). Die Wohnsitzauflage im Aufenthaltsgesetz verhindert, dass Frauen gleichen Schutz und gleiche Förderung erhalten. Diese Regelung verstößt gegen den Grundsatz der diskriminierungsfreien Umsetzung.  Art. 4 Abs. 3 fordert eindeutig eine diskriminierungsfreie Umsetzung, auch unabhängig vom Status. Auch werden besonders vulnerable Gruppen wie wohnungs- und obdachlose und drogengebrauchende Frauen in der Gesamtstrategie nicht erwähnt und bleiben somit weiterhin unsichtbar und schutzlos. Dies widerspricht dem Artikel 4 Abs. 3 der IK.

  • Fehlende langfristige Verbindlichkeit der Gewaltschutzstrategie: Ebenso stellt sich die wichtige Frage, welche Teile der Gesamtstrategie konkret verpflichtend für die nächste Legislaturperiode sind und wie Maßnahmen des Gewaltschutzes langfristig gewährleistet werden können. Es sollte nicht politischen Beliebigkeiten unterliegen, inwieweit und mit welchen priorisierten Maßnahmen die Umsetzung der IK erfolgt. Dazu müssten die derzeit, fehlenden konkreten Maßnahmen mit einem Zeitplan unterlegt werden.
  • Evaluation und Monitoring: Um die Strategie monitoren zu können, benötigt es konkrete, mit Zeitplan hinterlegte Maßnahmen und einen konkreten Plan, wie und durch wen die Evaluation stattfinden soll. Getrennt davon wird es eine Datenerhebung zur Umsetzung der IK in Deutschland insgesamt geben. Hier ist es notwendig, dass eine einheitliche Datenerhebung mit einheitlicher Indikatorik etabliert wird. Benötigt werden auch konkrete Maßnahmen, die eine intersektionale und diskriminierungskritische Datensammlung sicherstellen.

Über das Bündnis Istanbul-Konvention:

Im Frühjahr 2018 haben sich Frauenrechtsorganisationen und weitere Bundesverbände mit dem Arbeitsschwerpunkt Gewalt gegen Frauen im Bündnis Istanbul-Konvention zusammengeschlossen. Inzwischen sind über 20 Organisationen in dem Zusammenschluss vereint, um die Umsetzung der verbindlichen Gewaltschutz-Konvention zu begleiten und voranzutreiben.

Kontakt:

info@buendnis-istanbul-konvention.de

Homepage:

www.buendnis-istanbul-konvention.de

Ansprechperson

Linda Conradi
Geschäftsleitung
info@bag-taeterarbeit.de

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