Täterarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Interventionskette bei häuslicher Gewalt und findet in Kooperationsbündnissen statt. Für einen effektiven Gewaltschutz ist es daher elementar, dass sowohl die Täterarbeit als auch die anderen Akteur*innen des Hilfesystems auf ein sicheres Fundament gestellt werden.
In Berlin herrscht dringender Handlungsbedarf. Die Prävalenzzahlen zu häuslicher Gewalt und Femiziden bewegen sich auf einem besorgniserregenden Höchstniveau. Mit 19.213 registrierten Fällen von häuslicher Gewalt weist die polizeiliche Kriminalstatistik für 2024 den höchsten Wert der letzten zehn Jahre auf.[1] Doch trotz der steigenden Zahlen ist die Beratungslandschaft in Berlin mit Kürzungen und prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert, unter denen keine qualitativ hochwertige Täterarbeit im Sinne des Betroffenenschutzes umsetzbar ist. Die Angebote für gewaltausübende (und gewaltbetroffene) Personen stehen nicht im Verhältnis zum durch die Zahlen verdeutlichten Bedarf. Eine Verbesserung der Versorgung und ein Ausbau vorhandener Täterarbeitsangebote nach BAG-Standard in Berlin ist angezeigt, um Betroffene besser zu schützen und Gewaltprävention nach den Vorgaben der Istanbul-Konvention (IK) umzusetzen.
Verbindliche Finanzierungsstrukturen, die den bestehenden Bedarf an Täterarbeit nach BAG-Standard adäquat berücksichtigen und langfristig absichern, sind hierfür unerlässlich. Als Dachverband fordern wir deshalb von weiteren Kürzungen abzusehen bzw. die weiteren vorgenommenen Kürzungen für die Angebote der Täterarbeit in Berlin wieder aufzustocken, um die Zukunft der Beratungsstellen nicht weiter zu gefährden. Insbesondere der für die Täterarbeit unerlässliche Aufbau von Kooperationen erfordert finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen, die langfristig abgesichert sind. Darüber hinaus fordern wir ein berlineinheitliches Vorgehen und die Klärung von Zuständigkeiten bei der Finanzierung von Täterarbeit auf Landesebene.
Die Finanzierung von Täterarbeit nach BAG-Standard muss auch in Berlin – wie von GREVIO gefordert – gesichert und darüber hinaus im Sinne der IK ausgebaut werden. Durch die begrüßenswerte Neufassung des § 45 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, die die Weitergabe personenbezogener Daten Tatverdächtiger in Fällen häuslicher Gewalt ohne deren Einwilligung ermöglicht, ist mit einem erheblichen Anstieg der zu bewältigenden Fälle für die Täterarbeitsstellen zu rechnen. Auch diesem Umstand ist bei der Finanzierung von Täterarbeit Rechnung zu tragen. Zusätzliche Förderungen im Bereich der Täterarbeit dürfen allerdings nicht zu Kürzungen in anderen Bereichen, z.B. der Betroffenenunterstützung führen.
Nur wenn der Gewaltschutz als Ganzes gedacht und zuverlässig finanziert wird, kann dem steigenden Bedarf adäquat begegnet und Betroffene langfristig geschützt werden. Ein wichtiger Meilenstein hierfür ist das im Februar verabschiedete Gewalthilfegesetz. Bis 2036 beteiligt sich der Bund mit 2,6 Milliarden Euro am Ausbau der bislang unzureichenden Gewaltschutzstrukturen. Berlin und alle anderen Bundesländer erhalten dadurch weitere Gelder, um bestehende Lücken zu adressieren und den Gewaltschutz zu verbessern. Dafür darf das Geld keine bisher durch Landesmittel gedeckten Ausgaben ersetzen, sondern muss zusätzlich ins Hilfesystem fließen.
Mit der Ratifizierung der IK verpflichtete sich Deutschland 2017 gemäß Artikel 16 „zu gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um Programme einzurichten oder zu unterstützen, die darauf abzielen, Täter und Täterinnen häuslicher Gewalt zu lehren, in zwischenmenschlichen Beziehungen ein gewaltfreies Verhalten anzunehmen, um weitere Gewalt zu verhüten und von Gewalt geprägte Verhaltensmuster zu verändern.“[2] Anhand der Präambel der IK, die den strukturellen Charakter von geschlechtsspezifischer Gewalt betont, und der daraus folgenden Verortung von Täterarbeit im Kapitel Prävention wird deutlich: Insbesondere die Bearbeitung struktureller Aspekte von Gewalt in Paarbeziehungen und die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen müssen im Kontext von Täterarbeitsprogrammen eine zentrale Rolle spielen. Die vollständige Verantwortungsübernahme für Gewalthandlungen und das Erlernen gewaltfreier Konfliktkompetenz müssen im Mittelpunkt der Programme stehen.
Um Täterarbeit diesbezüglich qualitativ abzusichern, hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. (BAG TäHG) gemeinsam mit den Frauenverbänden und dem Bundesfamilienministerium einen Arbeitsstandard entwickelt.[3] Dieser legt entscheidende Rahmenbedingungen fest, die für eine nachhaltige Verhaltensänderung maßgeblich sind, und ist Grundlage der Arbeit unserer Mitglieder. Der Standard trifft Aussagen zur Struktur und den Inhalten des Täterprogramms, aber auch zu Personal und der für Täterarbeit unerlässlichen Kooperation mit anderen Institutionen. Die Arbeit nach BAG-Standard unterscheidet sich durch Inhalte, Struktur und Laufzeit von anderen Interventionsformen wie Anti-Gewalt-Trainings, die den Anforderungen aus Artikel 16 der IK nicht gerecht werden können. Das Kontrollgremium zur Umsetzung der IK GREVIO forderte Deutschland 2022 dazu auf, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die „flächendeckende Einhaltung der anerkannten Standards durch alle in Deutschland tätigen Täterprogramme zu gewährleisten“.[4] Das heißt auch, Beratungsstellen mit ausreichend finanziellen Ressourcen auszustatten, um Täterarbeit nach Standard anbieten zu können und den Gewaltschutz in Deutschland zu verbessern.
Der Ausbau des Hilfesystems, gerade für besonders vulnerable Gruppen, und die Absicherung der Unterstützungsstrukturen ist alternativlos. Gewaltschutz kostet Geld und rettet Leben!
Über uns:
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt (BAG TäHG) e.V. ist der profeministische Dachverband der Täterarbeitseinrichtungen in Deutschland und engagiert sich in Kooperationsbündnissen gegen häusliche Gewalt/Partnerschaftsgewalt. Die Kernaufgabe der BAG TäHG als Dachverband ist, eine qualitativ hochwertige und gleichstellungspolitisch ausgerichtete Täterarbeit in Deutschland zu fördern, die flächendeckende Versorgung mit Täterarbeit voranzubringen und politisch auf eine finanziell ausreichende Ausstattung der Täterarbeit hinzuwirken. Die Mitgliedseinrichtungen der BAG TäHG leisten einen wichtigen Beitrag, Gewalt in Partnerschaften, Gewalt in Familien sowie geschlechtsspezifisch gegen Frauen und TIN*-Personen gerichtete Gewalt nachhaltig und langfristig zu beenden.
[1] https://www.berlin.de/polizei/verschiedenes/polizeiliche-kriminalstatistik/, (S. 4; zuletzt aufgerufen: 09.07.2025).
[2] https://rm.coe.int/1680462535 (S. 10; zuletzt aufgerufen: 09.07.2025).
[3] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/95364/b8e655a98504ca7aa3e3cc4e1b7e16c0/standards-taeterarbeit-haeusliche-gewalt-data.pdf (zuletzt aufgerufen: 02.07.2025).
[4] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/202386/3699c9bad150e4c4ff78ef54665a85c2/grevio-evaluierungsbericht-istanbul-konvention-2022-data.pdf (zuletzt aufgerufen: 02.07.2025).